Der Lockdown wird noch Monate dauern

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Wieder einmal reichen die Beschlüsse der Ministerpräsidenten nur wenige Wochen in die Zukunft. Dabei ist klar, dass der Lockdown - ob teilweise oder umfassend - bis weit ins kommende Jahr andauern wird.

Der ehemalige US-Präsident Barack Obama beschreibt Bundeskanzlerin Angela Merkel in seinem neuen Buch als Politikerin, die sich "mit einer Mischung aus organisatorischem Geschick, strategischem Scharfsinn und unerschütterlicher Geduld" nach oben gearbeitet habe. Zugleich betont er ihre "angeborene Vorsicht" und "stoische Art".

All diese Eigenschaften kommen Merkel jetzt, in den Corona-Verhandlungen zwischen Kanzleramt und Bundesländern, zugute. Wobei es sein kann, dass es mit der Geduld nicht mehr so weit her ist, wie Obama es in Erinnerung hat. Denn Corona-Politik in Deutschland ist mindestens so kompliziert wie internationale Diplomatie; die eigentliche Macht liegt bei diesem Thema nicht im Kanzleramt, sondern bei den sechzehn Ministerpräsidentinnen und -präsidenten. Wie die Bildungspolitik ist der Infektionsschutz Ländersache.

Merkel hat längst deutlich gemacht, dass der Lockdown erstens auf keinen Fall am 20. Dezember enden wird und zweitens aus ihrer Sicht eher verschärft werden muss - die Bundesländer folgen ihr darin bloß nicht, noch nicht. Was ein Lockdown tatsächlich sei, das sehe man nicht in Deutschland, sondern in anderen Ländern, sagte sie am Donnerstagmorgen im Bundestag. Und fügte hinzu: "Allerdings, das will ich auch sagen, sehen wir inzwischen bei einigen unserer Nachbarländer auch deutlich fallende Zahlen in einem sehr hohen Tempo." Soll heißen: Mehr Lockdown würde mehr bringen.

Merkel hat sich offenbar für eine Strategie des mehrdeutigen Erwartungsmanagements entschieden. Die Botschaft "Licht am Ende des Tunnels" verband sie in ihrer Regierungserklärung mit dem Hinweis, dass "ganz ohne Zweifel noch einmal schwierige Monate" kämen. So kommuniziert Merkel seit Wochen. Eingebunden in die Zwänge des Föderalismus und ihre "angeborene Vorsicht" bleibt Merkel vor allem der Appell - an die Bürgerinnen und Bürger sowie an die Chefs und Chefinnen der Bundesländer. Sie spricht klar aus, dass sie "zwei Botschaften" hat: eine positive von Solidarität, Erfolg und der Hoffnung auf den Impfstoff. Und eine negative von zu hohen Inzidenzwerten, anhaltenden Einschränkungen und weit entfernten Zielen.

"Das geht bis März"

Am 28. Oktober rief sie eine "nationale Kraftanstrengung" aus, die Ende November enden sollte. Die ist gestern verlängert worden, wiederum nur für vier Wochen, bis zum 20. Dezember. Das könnte zu einer skurrilen Situation führen: Noch vor der Lockerungsphase in der Zeit der Feiertage werden Merkel und die Ministerpräsidenten über eine Verlängerung der Maßnahmen bis ins nächste Jahr sprechen müssen. Wenn es so abläuft wie bisher, dann wird die Kanzlerin bei diesem Treffen wieder Verschärfungen fordern, die die Länder ablehnen. Die Runde würde sich dann vertagen, um die Maßnahmen schließlich im Januar doch zu verschärfen. Merkel hätte sich wieder durchgesetzt - aber mit Verspätung.

Am Mittwochabend sagte Merkel, Bund und Länder gingen davon aus, "dass wegen des sehr hohen Infektionsgeschehens die Beschränkungen nach menschlichem Ermessen bis Anfang Januar gelten müssen". Zehn Stunden später erklärte Helge Braun, ihr Kanzleramtsminister, bei RTL: "Vor uns liegen schwierige Wintermonate. Das geht bis März."

Das könnte sich als optimistische Schätzung herausstellen: Die "erweiterte Frühphase" der Impfstrategie des Bundesgesundheitsministeriums wird nach Einschätzung des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums von März bis Juli andauern. Nachdem zuvor vor allem in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen geimpft wurde, sollen dann auch die "Beschäftigten der kritischen Infrastruktur" einbezogen werden. Mit Massenimpfungen rechnet NRW erst ab "Mitte 2021", wie aus einer Skizze zur Impforganisation hervorgeht, die ntv vorliegt.

Zwischen Hoffnung und Einschränkungen

Dass das Licht am Ende des Tunnels weiter entfernt ist, als viele hoffen, ist für Merkels Erwartungsmanagement ein Problem. Sie ist erkennbar bemüht, die Kluft zwischen Machbarem und dem, was sie eigentlich für nötig hält, nicht zu groß werden zu lassen. "Wir waren uns sehr bewusst, dass die Menschen von uns heute Klarheit für den Rest dieses Jahres wollen", sagte sie am Mittwochabend. Dabei wird sie selbst wissen, dass die meisten Menschen, auch Unternehmen und Selbstständige, Gastronomie und Kulturschaffende, Familien, Lehrerinnen und Lehrer, eine Perspektive brauchen, die sehr viel weitergeht.

Mitte 2021, die Perspektive für Massenimpfungen aus der nordrhein-westfälischen Impfskizze, dürfte auch der zeitliche Horizont sein, mit dem die Bundesregierung rechnet: Die sogenannte Überbrückungshilfe III, die Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Finanzminister Olaf Scholz Mitte November vorgestellt haben, hat eine Laufzeit von Januar bis Juni.

März wäre schon ein Erfolg: Der Lockdown wird noch Monate dauern - n-tv.de (n-tv.de)

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